Nach ziemlich genau einem Jahr machen sich am 23. September erneut 15 Schülerinnen und Schüler aus dem ukrainischen Odessa mit drei begleitenden Lehrerinnen auf den Weg nach Bremen an die Oberschule Lerchenstraße, wo sie bis zum 02. Oktober zu Gast sein werden.
Im letzten Jahr fiel den Schülern der Oberschule Lerchenstraße der Abschied von ihren Gastschülern schwer. Sie mussten sie zurückfahren lassen in eine Stadt, die sich so nah an der Frontlinie befindet, in der Bombenalarm, Bombenanschläge und ein Leben in ständiger Angst traurige Normalität geworden sind. Werden wir uns wiedersehen? Diese bange Frage hat wohl jeder gedacht, aber nicht auszusprechen gewagt. Nachdem sich die Situation in der Ukraine weiter verschlechtert hat, wollten die Kolleginnen des Fachbereichs Russisch an der Lerche diese Frage nicht mehr so bedrohlich im Raum stehen lassen. Sie entschieden sich für die trotzige Antwort: „Ja, jetzt erst recht!“.
Mitstreiter bei der Finanzierung der erneuten Schülerbegegnung fanden die engagierten Lehrerinnen wieder in der Stiftung „Solidarität Ukraine“ und dem Bremer mittelständischen Unternehmen Buhlmann. Auch auf die Unterstützung die Bremer Senatskanzlei konnten sich die Kolleginnen wieder verlassen. Neu ist die Unterstützung des Ortsamtes Vegesack, welches eine Stadtteilpartnerschaft mit einem Stadtteil von Odessa beschlossen hat.
Für eine Reihe der ukrainischen Schüler und ihrer Bremer Gastschüler und Gastfamilien wird so nun der Wunsch eines Wiedersehens wahr und auch für die Schüler aus Odessa, die in diesem Jahr zum ersten Mal Bremen besuchen werden, stehen schon Gastschüler und Gastfamilien aus der Lerche bereit.
Auch das Austauschprogramm ist bereits festgezurrt. Durch Sport, kreatives Arbeiten und kulturelle Erlebnisse sollen die ukrainischen Schüler Kraft und Energie gewinnen, die Zeit bis zum Frieden durchzuhalten. Die drei Lehrkräfte nutzen die Zeit für eine Fortbildung und für intensiven Austausch mit den Lehrkräften der Oberschule Lerchenstraße zum Thema „Sprachenlernen mit dem IPad“. Das Motto des Programms lautet „Zusammenhalten“ und beinhaltet eine Reihe von Unternehmungen, die den Gemeinschaftsgeist und das Zusammengehörigkeitsgefühl noch stärken sollen.
Schüler der Lerchenstraße packen 266 Schultüten für benachteiligte Schüler aus Odessa
Genau um dieses Zusammengehörigkeitsgefühl geht es auch bei einer weiteren Aktion, die die Oberschule Lerchenstraße gemeinsam mit ihrer gesamten Schülerschaft, der Stiftung „Solidarität Ukraine“ und der Firma Buhlmann plant:
Für das Bildungs- und Rehabilitationszentrum „Odessa NRC“, in dem Kinder und Jugendliche von 6 bis 17 Jahren mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernen, packen die Schüler der Oberschule Lerchenstraße in diesen Wochen Schultüten. Jedes der 266 Schulkinder, die aus sozial schwachen Familien stammen und vor allem unter Störungen im Bereich von Autismus und Down-Syndrom leiden, soll eine Schultüte, wie zum Schulbeginn in Deutschland üblich, bekommen. Darin befinden sich neben kleinen Geschenken auch nützliche Dinge, wie eine sehr gewünschte Taschenlampe, die dabei helfen soll, die häufigen Stromausfälle besser zu überbrücken.
Symbolisch übergeben die Klassensprecher jeder Klasse den Austauschschülern aus Odessa die Schultüten. Die Firma Buhlmann transportiert die Schultüten dann nach Odessa, und wenn die Austauschschüler wieder in der Ukraine sind, überreichen sie den Schülern die Schultüten.
Mehr Hintergrund:
Die Schüler aus Odessa haben 2,5 Jahre Leben im Krieg hinter sich. Oft 5 Bombenalarme in einer Nacht. Sie haben also einen großen Teil ihrer Zeit im Bunker verbracht. Die Schüler waren und sind sozial isoliert durch Homeschooling, wenn Präsenzunterricht stattfindet, dann meistens im Schulbunker. Das Leben der Jugendlichen ist geprägt von Angst um ihre (engen) Verwandten und Freunde, Verbote durch Ausgangssperren und keine Fröhlichkeit, weil das in dieser Zeit nicht angemessen ist. Kind- und Jugendlich sein ist für die Schüler plötzlich für lange Zeit nicht möglich.
Auch deutsche Schüler leiden unter sozialen und zukunftsbezogenen Ängsten: Durch Corona und die lange Zeit der Angst vor Ansteckung ist soziales Engagement und Teamgeist weniger geworden und müssen wieder neu entdeckt und belebt werden. Kann ich mein Zimmer mit jemanden Fremden teilen? Ist das nicht gefährlich? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die deutschen Schüler. Hier gilt es soziales Engagement wieder kennenzulernen und aufzubauen, Vertrauen zu Fremden zu gewinnen und Vorurteile gegenüber osteuropäischen Schülern abzubauen. Kommt der Krieg auch zu uns? - Das ist ebenfalls eine bange Frage, die sich unsere Schüler stellen.